Sensomotorics® für die Beuge- und Streckmuskulatur

Sensomotorics® für die Beuge- und Streckmuskulatur

Ich möchte heute eine Übung aus dem Sensomotorics® vorstellen, die für mich die Basis eines jeden Sensomotorics®-Übungsprogramms bildet. Sie spricht die große Muskulatur für unsere Streckung und Beugung an und hat zum Ziel, den Tonus dieser beiden „Partner“ zuerst bewusst zu machen und dann in Ausgleich zu bringen.

Schmerzhafte Verspannungen der Körperrückseite auf Grundlage bestimmter Halte- oder Bewegungsmuster sind weit verbreitet.

Dauerhafte Anspannung der Körpervorderseite scheint jedoch weniger präsent. Vielmehr gilt es oft als Idealbild, die Körpervorderseite möglichst festzuhalten. Eine unverhältnismäßige Spannung in der geraden Bauchmuskulatur beispielsweise nähert jedoch den Brustkorb weiter an das Becken an und wirkt so einer natürlichen Aufrichtung entgegen.

Kann die Brustmuskulatur nicht ausreichend loslassen, zieht sie die Schultern nach vorne und schränkt u.a. die Atembewegung ein. Unser Blick möchte sich immer gerade ausrichten. Um dies zu gewährleisten, müssen Kopf und Nacken mit Muskelkraft dem Zug nach unten stetig gegensteuern. Das verbraucht Energie und führt im unangenehmsten Fall zu einer Reihe von Beschwerden. Ein Baustein kommt auf den anderen.

Die Kontrolle des Nervensystems über das „Finetuning“ des Muskeltonus zurückzugewinnen ist das, was man mit den sensomotorischen Übungen erreichen möchte. Der Ansatz ist sehr sanft, mit Aufmerksamkeit und „mit Köpfchen“, um dem Nervensystem Zeit und Raum für ein Umlernen zu geben.

 

Es ist zwar nicht zwingend erforderlich, aber interessant und oft auch eindrucksvoll, eine sensomotorische Übung oder Übungsreihe mit einem kurzen Körperscan zu beginnen und zu beenden. Dabei lässt es sich nicht nur wunderbar entspannen und unsere Aufmerksamkeit für eine kurze Zeit vom Außen nach innen lenken, der Körperscan macht auch den Effekt der Übungen direkt spür- und nachvollziehbar.

Audio-Anleitung: Sensomotorics für Beuger und Strecker (25 Minuten)

Körperscan vor und nach der Übung zum Erkennen der momentanen Körperorganisation und der möglichen Veränderung.

Becken und unterer Rücken:
Rollbewegung der Beckenschaufeln nach hinten – Aktivierung der Muskulatur des Unterbauches, Länge im Bereich des unteren Rückens.

Kopf, Halswirbelsäule und Rumpf:
Einrollen und leichtes Anheben des Kopfes mit Hilfe der hinter dem Kopf verschränkten Hände in Richtung Brustkorb – Aktivierung der Muskulatur des Oberbauches, Länge in Nacken und Brustwirbelsäule.

Becken und unterer Rücken:
Rollbewegung des Beckens nach vorne – Aktivierung der Muskulatur des unteren Rückens, Länge im Bereich des Unterbauches

Kopf, Halswirbelsäule und Rumpf:
Rollen des Kopfes nach hinten, leichter Druck in den Boden mit Hinterhaupt, Ellbogen und Schultern – Aktivierung der Muskulatur von Brustwirbelsäule und Nacken, Öffnung des Brustkorbs und vorderen Halsbereichs

Für alle, die noch mehr wissen möchten: Ein wenig Theorie zu den Sensomotorics®-Übungen, die sich von der gewohnten Art von Körperübungen in manchen Punkten unterscheiden:

  • Führen Sie die Bewegungen bitte nur so weit aus, wie sie sich leicht anfühlen. Diese zarte Grenze erkennen Sie, wenn Sie die Bewegung langsam und mit ihrer vollen Aufmerksamkeit ausführen.
  • Üben Sie nicht in einen Schmerz hinein, gehen Sie dann weniger weit. Klappt eine Bewegung gar nicht ohne Schmerz, stellen Sie sie sich vor ihrem inneren Auge so detailliert wie möglich vor.
  • Wir suchen nicht nach einem Maximum an Bewegungsausmaß, an Wiederholungen oder gar Dehnung. Wir suchen nach der höchstmöglichen Bewegungsqualität und Bewegungsbewusstheit. So haben Sie die beste Chance, eingefahrene Bewegungsmuster zu erkennen und die Sensibilität für Ihren Körper, seine Organisation und die Kontrolle über die Muskelansteuerung zu verfeinern.
  • Lassen Sie den Atem während der Bewegung natürlich weiterfließen.
  • Keine Sorge, es gibt keine richtige oder falsche Ausführung der Bewegung, solange Sie Ihren Komfortbereich nicht übergehen. Sehen Sie die Übung als spielerische Selbsterfahrung, variieren Sie! Das bietet Ihrem Nervensystem Abwechslung und die Möglichkeit, Alternativen zum Gewohnten zu finden.
  • Die Zwischenpausen sind essentiell für den Umlernprozess. Ich sage die Pausen immer mit an. Aber hören Sie in sich hinein – wenn sich eine Pause schon vorher richtig anfühlt, machen Sie eine Pause. Wenn Sie trotz einer angesagten Pause noch zwei, drei Wiederholungen mehr benötigen, nehmen Sie sich die Freiheit, weiter zu machen. So wird die Übung zu IHRER Übung.